„Über die Geschicklichkeit des Inspectors Meyerstein und die realle Einstigkeit seiner Arbeiten kann ich nur ein ihm sehr rühmliches Zeugniß ablegen.“ Mit diesen für seine Verhältnisse überschwänglichen Worten beschrieb der berühmte Mathematiker, Physiker und Geodät Carl Friedrich Gauß einen seiner engen Mitarbeiter, den in Einbeck geborenen Instrumentenbauer Moritz Meyerstein.
Moritz Meyerstein wurde am 16.06.1808 als siebtes Kind des wohlhabenden jüdischen Kaufmanns Jakob Elias Meyerstein geboren. Die Familie lebte in Einbeck zunächst in der Benserstraße 17, bis das Haus beim Stadtbrand 1826 zerstört wurde. Daraufhin bezogen sie ein Haus an der Marktstraße 2. Zu diesem Zeitpunkt war Moritz Meyerstein jedoch bereits ausgezogen, um das Handwerk des Mechanikers zu erlernen. Seine Ausbildung führte ihn zunächst nach Göttingen, dann nach Kassel und München und schließlich nach Stockholm. Von dort aus bemühte er sich 1833 mit besten Zeugnissen und Beurteilungen ausgestattet um die Erlaubnis zur Übernahme der Werkstatt des Universitätsmechanikus Rumpff in Göttingen, bei dem er seine Ausbildung absolviert hatte.
1834 wurde die Genehmigung erteilt. Dem vorausgegangen war ein langwieriger Prozess, in dem Meyerstein neben seiner fachlichen Qualifikation auch eine hohe finanzielle Ausstattung nachweisen und zudem die Bedenken des Göttinger Magistrats ausräumen musste, die Ansiedlung eines weiteren Mechanikers würde die konkurrierenden Werkstätten in den Ruin treiben. Auffällig ist dabei, dass die Ansiedlung eines christlichen Mechanikers in Göttingen einige Jahre später in kurzer Zeit genehmigt wurde, wohingegen das Anliegen des Juden Moritz Meyerstein ein Jahr in der Schwebe war.
Mit der Übernahme der Werkstatt in Göttingen führte Meyerstein nun einen eigenen Haushalt und kam bald in Kontakt mit den Wissenschaftlern der Universität. Allen voran Gauss und Weber waren von seinen Konstruktionen und Geräten angetan, und schätzten auch seine Mitarbeit an ihren Experimenten und Messungen. Allein das Bürgerrecht der Stadt Göttingen konnte er erst erlangen, als er sich mitsamt seiner Frau Betty und Tochter Sophie Emilie 1838 christlich taufen ließ. Ein beruflicher Aufstieg und die endgültige Etablierung an der Göttinger Universität war schließlich seine Ernennung zum „Universitäts-Instrumenten- und Maschinen-Inspector“. Von nun an war Meyerstein Mitglied der Universität, für die Neukonstruktion und die Instandhaltung der wissenschaftlichen Instrumente der Universität verantwortlich, assistierte bei Experimenten in den Vorlesungen und beteiligte sich an den Messungen und Versuchen vor allem von Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber. So konstruierte und verbesserte er verschiedene astronomische und physikalische Messgeräte und war an der Erprobung der ersten elektromagnetischen Telegraphenleitung zwischen der Göttinger Sternwarte und der Universität beteiligt.
In seiner Werkstatt baute Meyerstein mit zeitweise bis zu 15 Gehilfen und Auszubildenden die von Gauß und Weber erdachten Messinstrumente und perfektionierte ihre Genauigkeit und Einsetzbarkeit. Nach der Erprobung der Prototypen produzierte er die Instrumente dann auch für einen illustren Kreis internationaler Kunden. Trotz der großen Anerkennung durch den schon zu Lebzeiten berühmten Gauß, schlugen Meyerstein von Kunden immer wieder auch Vorurteile entgegen, die sich – für das 19. Jh. typisch – antisemitisch, also rassistisch-antijüdisch, gegen ihn als getauften Christen jüdischer Herkunft richteten.
Die größte akademische Anerkennung wurde Meyerstein 1863 zuteil, als ihm die philosophische Fakultät der Universität Göttingen die Ehrendoktorwürde verlieh, was einem Universitätsmechanikus im 19. Jh. sehr selten zuteilwurde. 1875 verkaufte er seine Werkstatt und zog in sein neu errichtetes Haus in der Bürgerstraße 6a (heute Nr. 48) in Göttingen, wo er bis zu seinem Tod 1882 im Keller weiterhin Instrumente baute.
Sein Biograf Klaus Hentschel bezeichnet Moritz Meyerstein als einen hervorragenden Instrumentenmacher des 19. Jh., der eng mit den bekannten Naturwissenschaftlern seiner Zeit zusammenarbeitete. Gleichzeitig zeige sich an seinem Beispiel, gegen welche Widerstände ein jüdischer, später christlich getaufter Handwerker in dieser Zeit anzutreten hatte. Einige der Instrumente Meyersteins befinden sich noch heute in der Sammlung der Georg-August-Universität-Göttingen und werden im Forum Wissen ausgestellt.
Text: Simon Falz, Stadtarchiv Einbeck
Heutige Benserstraße 17, in Einbeck, Geburtsort von Moritz Meyerstein